Frank Müller-Rosentritt

Der Bundestag hält Resolutionen gegen Israel für unbedenklich

Die Neue Zürcher Zeitung berichtet ausführlich über die Debatte zum Antrag der FDP-Bundestagsfraktion, in dem wir die Bundesregierung auffordern, ihr Abstimmungsverhalten bei antiisraelischen UN-Resolutionen zu ändern. Als Autor des Antrages (zusammen mit Bijan Djir-Sarai) habe ich die Debatte eröffnet.

Der Bundestag hält Resolutionen gegen Israel für unbedenklich

Kein anderes Land wird von den Vereinten Nationen so häufig verurteilt wie Israel. Oft geschieht dies mit deutscher Unterstützung. Die FDP wollte das per Bundestagsbeschluss ändern – und scheiterte.

Eigentlich gilt die Sicherheit Israels als deutsche Staatsräson. So hat es Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert, und so sehen es auch viele Parlamentarier. In der Uno-Generalversammlung scheint dieses Prinzip aber ausser Kraft gesetzt zu sein. Vergangenes Jahr stimmte Deutschland dort 16 von insgesamt 21 Resolutionen zu, die sich gegen Israel richteten. Im gleichen Zeitraum wurden Länder mit miserabler Menschenrechtslage wie Syrien oder Nordkorea jeweils nur einmal verurteilt.

Die FDP wollte im Bundestag mit einem Antrag auf das deutsche Abstimmungsverhalten bei antiisraelischen Resolutionen einwirken. Die Bundesrepublik solle sich distanzieren «von einseitigen, vorrangig politisch motivierten Initiativen und Allianzen antiisraelisch eingestellter Mitgliedstaaten». Die Abgeordneten debattierten am späten Donnerstagabend über das Thema, danach folgte eine Abstimmung. Ausser der FDP- und AfD-Fraktion lehnten alle Parteien den Antrag ab. 408 Parlamentarier votierten dagegen, 155 dafür, 63 enthielten sich.

Vorwürfe gegen die FDP

Redner aller Parteien erklärten, die Fülle an Resolutionen gegen Israel sei absurd. Dennoch hielten mehrere Abgeordnete den Vorstoss der Liberalen für problematisch. Sie warfen der Partei vor, direkt nach der Debatte über den Antrag eine namentliche Abstimmung angesetzt zu haben. «Sie geben diesem Parlament keine Chance, ihn zu beraten, weil Sie Sofortabstimmung beantragen. Das ist der eigentliche Fehler Ihres Antrages», sagte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter. Er und einige andere Redner hätte sich gewünscht, den Antrag in den zuständigen Ausschüssen zu beraten und so zu einer gemeinsamen Lösung zu gelangen.

Wie die meisten anderen Redner nutzte er einen wesentlichen Teil der Redezeit, um seinen Unmut über den Antrag kundzutun. Dieser enthalte kein Wort über den gescheiterten Friedensprozess im Nahen Osten. Unterbrochen wurde seine Rede von einer Zwischenfrage des FDP-Politikers Bijan Djir-Sarai, der den Antrag zusammen mit seinem Parteikollegen Frank Müller-Rosentritt auf den Weg gebracht hatte. Djir-Sarai warf Regierungsvertretern vor, mittags proisraelisch zu argumentieren und abends den Jahrestag der Islamischen Revolution in der Botschaft des Iran zu feiern, der Israel immer wieder mit Vernichtung droht. Kiesewetter tat diesen Einwurf als Schwarz-Weiss-Denken ab. Man müsse Gesprächskanäle offenhalten.

Wegen Auschwitz in die Politik

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der sozialdemokratische Aussenminister Heiko Maas standen kürzlich wegen ihrer Haltung zum Iran in der Kritik. Maas sagt über sich, er sei wegen Auschwitz in die Politik gegangen. Frank Müller-Rosentritt griff dieses Zitat auf und appellierte an die Abgeordneten, Deutschland müsse der historischen Verantwortung für Israel auch in der Uno gerecht werden. Er wies darauf hin, dass diese mehr Resolutionen gegen Israel verabschiede als gegen alle anderen Staaten zusammen. Die Regierung müsse ihr Abstimmungsverhalten gegenüber Israel ändern, sonst gerate die Solidarität mit dem jüdischen Staat zur Floskel.

Zustimmung bekam er dafür nur aus seiner eigenen Partei und der AfD-Fraktion. Die AfD argumentiert gerne proisraelisch, hat allerdings ein Problem mit Antisemiten in den eigenen Reihen. Darauf ging ihr Redner Anton Friesen freilich nicht ein und warf der Regierung Verrat gegenüber Israel vor. Die übrigen Redner verteidigten deren Position. Wenn Deutschland im Sinne der FDP agieren würde, könne das die Verhandlungsposition in multilateralen Foren schwächen, sagte der SPD-Abgeordnete Nils Schmid. Der FDP-Antrag sei überzogen, weil er der Regierung eine antiisraelische Haltung unterstelle.

Linke spricht von «Besatzungsregime»

Der Grünen-Politiker Omrid Nouripour mutmasste, Amerikas Präsident Donald Trump und «andere Nationalisten» würden das Thema Israel nutzen, um die Uno zu schwächen. Auch deshalb könnten die Grünen dem Antrag nicht zustimmen. Symbolpolitik warf der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich der FDP vor, weil sie den Antrag nicht in den Ausschüssen diskutieren wolle, sondern auf die Abstimmung dränge. Israel nutze die Debatte über die Uno-Resolutionen, um von der Diskussion um das «Besatzungsregime in den Palästinensergebieten» abzulenken.

Weshalb Deutschland in der Uno immer wieder gegen Israel votiert, konnte keiner der Abgeordneten schlüssig erklären. Der sozialdemokratische Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen, hatte dies so begründet, dass man sich mit der Zustimmung Einfluss auf die Resolutionen sichere – und sie dann entschärfe. Ähnlich stellte es auch der CDU-Abgeordnete Andreas Nick dar. Der AfD-Politiker Friesen sagte, mit dem gleichen Argument könne man sich auch einer Strassengang anschliessen, um diese unter Kontrolle zu halten.

Die Debatte um das Papier zeigte, wie unterschiedlich die Verantwortung gegenüber Israel im deutschen Bundestag definiert wird. Formell betrachtet mag tatsächlich manches gegen den Antrag gesprochen haben. Aus israelischer Sicht dürfte dessen Ablehnung aber die Zweifel an den Solidaritätsbekundungen deutscher Politiker nähren.