Frank Müller-Rosentritt

Aus für »Partei Gottes«

Hisbollah-Plakat

Die Jüdische Allgemeine berichtet von meiner Forderung nach einer Einstufung der Hisbollah als Terrororganisation:

Aus für »Partei Gottes«

London verbietet die Hisbollah. Die Bundesregierung schweigt lieber

Für den konservativen britischen Innenminister Sajid Javid ist die Sache klar: »Wir sind nicht mehr in der Lage, zwischen dem bereits verbotenen militärischen Arm der Hisbollah und der politischen Partei zu unterscheiden.« Daher hat Javid »die Hisbollah als Ganzes«, wie er betont, verboten. Sein Ministerium müsse unabhängig von deren Ideologie terroristische Organisationen identifizieren, welche die Sicherheit Großbritanniens gefährden.

Der Dachverband der britischen Juden, das Board of Deputies (BoD), begrüßte die Entscheidung, die am Freitag vom Unterhaus bestätigt wurde. »Die jüdische Gemeinschaft hat dies schon lange gefordert«, heißt es in einer Erklärung, in der auf die Verantwortung der Hisbollah für das Bombenattentat auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA 1994 in Buenos Aires verwiesen wird.

Bis heute sei die Hisbollah eine Bedrohung für jüdische Gemeinden in der ganzen Welt. »Ihren Willen zum Völkermord an der jüdischen Gemeinschaft hat die Gruppe 1992 klar geäußert«, erinnert das BoD, »als sie verkündete, dass der Krieg gegen Israel erst dann ende, wenn der letzte Jude auf der Welt eliminiert sei.«

BEWEISE Während das BoD die Entscheidung lobt, kommt Kritik von der Opposition. Ein Sprecher der Labour‐Partei hält den Beschluss für zu schlecht belegt: »Noch im vergangenen Jahr gab es für das Innenministerium nicht genügend Beweise für ein Hisbollah‐Verbot.« Daran habe sich seither nichts verändert. Der Innenminister müsse nun klarstellen, dass seine Entscheidung objektiv und unabhängig fiel und ihm neue Beweise vorliegen. Zudem fürchtet Labour eine Belastung der diplomatischen Beziehungen zum Libanon, wo die Hisbollah eine politische Macht ist.

In Deutschland ist von einem Verbot des politischen Arms der Hisbollah nicht die Rede. Sie ist legal und aktiv, wird allerdings vom Verfassungsschutz beobachtet. Knapp 1000 Mitglieder hat die Organisation hierzulande. Unter anderem besitzt sie im nordrhein‐westfälischen Münster ein eigenes Zentrum. Auch wenn mit dem Sender »al‐Manar TV« (2008) und dem Verein »Waisenkinderprojekt Libanon« (2014) zwei Vorfeldorganisationen der Hisbollah in Deutschland verboten wurden, ist die »Partei Gottes« nach wie vor aktiv.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt, dass die Hisbollah das Existenzrecht Israels bestreitet und den bewaffneten, mit terroristischen Mitteln geführten Kampf gegen Israel propagiert. Das Amt kommt zu dem Schluss: »Es muss damit gerechnet werden, dass die ›Hizb Allah‹ auch außerhalb des Nahen Ostens weiterhin terroristische Aktionen gegen Israel oder israelische Interessen plant.«

MOSCHEEVEREINE In Deutschland pflegen die Hisbollah‐Anhänger den organisatorischen und ideologischen Zusammenhalt »unter anderem in örtlichen Moscheevereinen, die sich in erster Linie durch Spendengelder finanzieren«, heißt es beim Verfassungsschutz. Auch Mitglieder libanesischer Clans unterstützten teilweise die Hisbollah und ihre Nebenorganisationen, auch wenn es bislang keine Beweise für eine direkte Zusammenarbeit von Terroristen und Kriminellen gebe.

Das britische Verbot löste hierzulande keine breite Diskussion darüber aus, ob es nicht an der Zeit sei, die schiitische Terrororganisation auch in Deutschland oder im gesamten EU‐Raum zu verbieten.

Israel fordert dies. Jerusalems Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, nutzte ein Interview in der »Bild«-Zeitung, um auf die Gefahren, die von der Organisation ausgehen, hinzuweisen. »Die Hisbollah ist nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Europa aktiv. Wir sind der Ansicht, dass alle Sicherheitsdienste, auch der deutsche, die Gefahr durch die Hisbollah genau im Blick haben sollten.« Die Organisation baue kalkuliert ihre Infrastruktur und damit ihre Fähigkeit für mögliche Terroranschläge aus. Issacharoff erinnerte an den Anschlag 2012 in Bulgarien. Damals waren fünf Israelis und ein bulgarischer Busfahrer von einem Selbstmordattentäter in den Tod gerissen worden, während sie auf den Weitertransport zu einem Hotel warteten.

Forderungen nach einem Hisbollah‐Verbot in Deutschland kommen bislang nur von der FDP und von dem früheren Grünen‐Abgeordneten Volker Beck. Auf Twitter forderte der FDP‐Politiker Frank Müller‐Rosentritt, dem britischen Vorbild zu folgen: »Die Niederlande stufen Hisbollah als Ganzes seit 2004 als Terror‐Organisation ein. USA, Kanada, UK, ArabLeague & Israel ebenfalls«, schreibt er dort. »Deutschland sollte sich schnellstmöglich anschließen! Nur so werden Terror & org. Kriminalität wirksam bekämpft!«

Volker Beck wollte via Twitter wissen, was das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium (BMI) von einem Verbot halten. Als Antwort bekam er Auszüge aus dem Verfassungsschutzbericht.

REAKTIONEN Auf Anfrage dieser Zeitung teilt das von Horst Seehofer (CSU) geleitete Ministerium mit: »Zu konkreten Verbotsüberlegungen äußert sich das BMI generell nicht.« Dies gelte unabhängig davon, »ob hierzu im Einzelfall überhaupt Anlass besteht«.

Ausländische Reaktionen auf das britische Verbot fallen gemischt aus. Während der Iran es verurteilt, fordert Bahrain seine Ausweitung auf ganz Europa. Telefonische Glückwünsche zu der Entscheidung erhielt die brexitgebeutelte britische Regierungschefin Theresa May indes von Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Er dankte ihr für Großbritanniens Entscheidung, alle Flügel der Hisbollah als Terrororganisation zu definieren, und äußerte seine Hoffnung, dass weitere Länder dieser Entscheidung folgen mögen.

 

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